OSTINF-Studie

Osteopathische Behandlung von Säuglingen im

ersten Lebensjahr

 

 

                                                                                                                Gauting, Februar 2018

 

Liebe Eltern,

 

wenn ihr Kind unter den unten angegebenen Problemen leidet, würde ich mich freuen, wenn sie einen Termin in meiner Praxis vereinbaren würden. 

 

Warum führt die Akademie für Osteopathie eine derartige Studie durch?

Osteopathen behandeln selbstverständlich auch Kinder. Immer häufiger schicken z.B. Hebammen Säuglinge zur Entwicklungskontrolle zum Osteopathen, Kinderärzte sprechen Empfehlungen aus. Die großen deutschen Berufsverbände der Osteopathen bestehen darauf, dass Osteopathen, die mit Kindern arbeiten, eine qualitätsgesicherte Zusatzausbildung vorweisen können.

Vor diesem Hintergrund fordern Vertreter der Ärzteschaft jüngst, z.B. in Stellungnahmen der „Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin“ (DAKJ) oder des „Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte“ (BVKJ):

·      „.. Aus Sicht der Arbeitsgruppe sind für die Osteopathie im Kindesalter, speziell auch bei Säuglingen, weitere Studien, die den Grundlagen der „Evidenz-basierten Medizin“ unterliegen notwendig, um ein sinnvolles Vorgehen zu ermöglichen“.

Zwar sprechen inzwischen die vielfältigen guten Erfahrungen sehr dafür, dass Osteopathen bedeutsame Probleme von Säuglingen erfolgreich behandeln. Tatsächlich gibt es nur wenige systematische wissenschaftliche Untersuchungen, die die klinische Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen exakt untersucht bzw. dokumentiert haben.

Diese Studie soll Klarheit schaffen und möglichst objektiv herausfinden, was Eltern für ihr Kind erwarten können, wenn sie Rat und Hilfe bei einem Osteopathen suchen.

Als Vorbereitung für diese Studie haben wir zunächst die Frage untersucht, was die häufigsten Probleme sind, mit denen Eltern mit ihrem Säugling in osteopathische Praxen kommen. Die Befragung von 81 Osteopathen ergab, dass insgesamt fünf Gesundheitsstörungen mit fast gleicher Häufigkeit die Liste anführen. Dies sind die

 

·      Säuglingsasymmetrie,

·      Ein- oder beidseitige Abflachung des Hinterkopfes (Plagiozephalie)

·      Fütterstörung,

·      Schreibabys und

·      Schlafstörung

Sie sind in die osteopathische Praxis gekommen, weil Ihr Baby eine der genannten Störung aufweist. Wir wollen in dieser Beobachtungsstudie, an der Ihr Baby jetzt teilnimmt, verlässliche Antworten auf die beiden folgenden grundsätzlichen Fragestellungen erhalten:

·      „Welche Veränderungen werden bei Säuglingen im ersten Lebensjahr bei den am häufigsten auftretenden 5 Gesundheitsstörungen im Verlauf einer zeitlich befristeten osteopathischen Behandlung wahrgenommen und wie sind sie zu bewerten?“

·      „Welche möglicherweise korrespondierende unerwünschte Ereignisse sind in diesem Zeitraum aufgetreten und wie sind sie zu bewerten?“

Besonders wichtig für Sie: die Behandlung ihres Säuglings wird durch die Teilnahme an der Studie in keiner Weise beeinflusst, mit Ihrem Einverständnis zur Teilnahme gestatten Sie uns lediglich, wichtige Beobachtungen im Verlauf der Behandlung zu dokumentieren und am Ende der Studie unter Wahrung des Datenschutzes anonymisiert wissenschaftlich zu analysieren.

Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Teilnahme! Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag, dass künftig Eltern verlässliche Informationen haben werden, was sie von einer osteopathischen Behandlung erwarten können.

 

Mit freundlichen Grüßen

Akademie für Osteopathie e.V.

Florian Schwerla MSc, D.O.

Studienleiter

 

 

In Zusammenarbeit mit:

Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Bad Elster  

Univ.-Professor Dr. med. Karl-Ludwig Resch

 

Die Studie ist im November 2018 beendet worden.

 

Osteopathic Treatment of Infants in Their First Year of Life: A Prospective Multicenter Observational Study (OSTINF Study)

Florian SchwerlaBoris DaakeEva MoeckelKarl-Ludwig Reschd

German Academy of Osteopathy (AFO), Gauting, Germany; Practice for Osteopathy, Bonn, Germany; Practice for Osteopathy, Hamburg, Germany; German Institute for Health Research (DIG), Bad Elster, Germany

Received: July 14, 2020 Accepted: January 12, 2021 Published online: ■■■

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Keywords

Osteopathic medicine · Infants · Asymmetry · Plagiocephaly · Feeding and sleeping disorders · Excessively crying infants

Abstract

Introduction: In Germany in recent years, a growing number of parents are seeking help from osteopaths for the per- ceived health complaints of their infants and children. How- ever, reliable evidence for the effectiveness of osteopathic interventions for this group of patients is largely lacking. Ob- jective: To observe and document changes in the symptoms of certain health disturbances, as perceived by parents, dur- ing the course of an osteopathic treatment of their baby, and associated side effects. Methods: A single-arm, prospective, multicenter, observational study was chosen as the study design. Parents who contacted an osteopathic practice with any of the following 5 health disturbances were invited to include their baby into the study: idiopathic infant asymme- try (IA), deformational plagiocephaly (DP), feeding disorders (FD), excessive crying (EC), and sleep disorders (SD). Osteo- paths performed osteopathic treatment as usual for these conditions, and the parents were asked to rate the perceived severity of symptoms on standardized forms including nu- merical rating scales (NRS 0–10). In DP, the head circumfer- ence of the child’s skull was measured with a craniometer, and the cranial vault index (CVAI) was calculated. Results: 230 osteopaths agreed to participate, 151 osteopaths re- turned parental ratings. 1,136 infants were treated 2.8 ± 1.1 times (mean ± SD). IA was the most prevalent disturbance (48%), followed by EC (18%), FD (15%), DP (14%), and SD

(4%). In IA, perceived asymmetry as rated on the NRS im- proved from 6.1 to 1.1, a mean improvement of 82%. In DP, the CVAI improved from 8.0 to 4.0%, a mean improvement of 51%. FD improved by 77%, EC by 70% (from 7.7 to 2.3 on the NRS) and SD by 56%. Adverse reactions with a timely as- sociation with osteopathic treatments were reported in 3.5% of all treatments, probably reflecting typical day-to-day vari- ations in symptoms. In a total of 3,212 treatments, there was not a single serious adverse reaction affecting infant health. Conclusions: This is one of the largest studies worldwide to date on the osteopathic treatment of infants. Osteopathic treatment was associated with major positive changes in the severity of perceived health complaints as assessed by par- ents, which in most cases were resolved as a matter of con- cern, and was proved to be a safe treatment modality among a large number of therapists. Based on these results, confir- matory intervention studies can and should be planned and conducted.

 

Die osteopathische Behandlung von Säuglingen im ersten Lebensjahr: Eine prospektive multizentrische Beobachtungsstudie (OSTINF-Studie)

Schlüsselwörter

Osteopathische Medizin · Säuglinge · Asymmetrie · Plagiozephalie · Fütter- und Schlafstörungen · Schreikinder

Zusammenfassung

Einleitung: In Deutschland suchen in den letzten Jahren immer mehr Eltern bei Osteopathen Hilfe für die wahr- genommenen gesundheitlichen Beschwerden ihrer Säug- linge und Kinder. Verlässliche Belege für die Wirksamkeit osteopathischer Interventionen für diese Patientengrup- pe fehlen jedoch weitgehend. Studienziel: Beobachtung und Dokumentation von Veränderungen der Symptome bestimmter, von den Eltern wahrgenommener Gesund- heitsstörungen im Verlauf einer osteopathischen Behand- lung ihres Babys und der damit verbundenen Neben- wirkungen. Methoden: Als Studiendesign wurde eine ein- armige, prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie gewählt. Eltern, die sich mit einer der folgenden 5 Gesund- heitsstörungen an eine osteopathische Praxis wandten, wurden eingeladen, ihr Baby in die Studie einzubeziehen: idiopathische Säuglingsasymmetrie (IA), Deformations- Plagiozephalie (DP), Fütterungsstörungen (FD), exzessives Schreien (EC) und Schlafstörungen (SD). Osteopathen führ- ten die osteopathische Behandlung wie üblich bei diesen Erkrankungen durch, und die Eltern wurden gebeten, den wahrgenommenen Schweregrad der Symptome auf stan- dardisierten Formularen einschließlich numerischer Bew- ertungsskalen (NRS 0–10) zu bewerten. Bei der DP wurde der Kopfumfang des Schädels des Kindes mit einem Kranio- meter gemessen und der Cranial Vault Index (CVAI) berech- net. Ergebnisse: 230 Osteopathen erklärten sich zur Teil- nahme bereit, 151 Osteopathen gaben elterliche Bewer- tungen zurück. 1’136 Säuglinge wurden 2,8 ± 1,1 Mal be- handelt (Mittelwert ± SD). IA war die am häufigsten auftretende Störung (48%), gefolgt von EC (18%), FD (15%), DP (14%) und SD (4%). Bei der IA verbesserte sich die wahrgenommene Asymmetrie, wie sie auf der NRS be- wertet wurde, von 6,1 auf 1,1, was einer durchschnittli- chen Verbesserung von 82% entspricht. Bei der DP verbes- serte sich der CVAI von 8,0 auf 4,0%, was einer durch- schnittlichen Verbesserung von 51% entspricht. Die FD verbesserte sich um 77%, die EC um 70% (von 7,7 auf 2,3 auf der NRS) und die SD um 56%. Unerwünschte Reak- tionen, die in Verbindung zu gleichzeitigen osteopa- thischen Behandlungen standen, wurden bei 3,5% aller Behandlungen berichtet, spiegeln aber typische alltägli- che Symptome wider. Bei insgesamt 3,212 Behandlungen gab es keine einzige schwerwiegende Nebenwirkung, die die Gesundheit des Säuglings beeinträchtigte. Schlussfol- gerungen: Dies ist eine der bisher weltweit größten Stu- dien über die osteopathische Behandlung von Säuglin- gen. Die osteopathische Behandlung ging mit großen positiven Veränderungen in der Schwere der von den El- tern wahrgenommenen Gesundheitsbeschwerden einher und erwies sich als sichere Behandlungsmodalität. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse können und sollten konfir- matorische Interventionsstudien geplant und durchge- führt werden. © 2021 S. Karger AG, Basel